Kraftfahrtversicherung

Kraftfahrtversicherung
Kraftverkehrsversicherung, Kraftfahrzeugversicherung, Autoversicherung.
I. Allgemeines:1. Geltungsbereich: Versicherungsschutz für die aus der Gefahr durch Gebrauch eines Kraftfahrzeugs (Kfz) oder Anhängers entstehenden Schäden nach § 1 KfzPflVV; gilt grundsätzlich nur in Europa und den außereuropäischen Gebieten, die zum Geltungsbereich der EU-Länder gehören, soweit keine Erweiterung (z.B. auf außereuropäische Anliegerstaaten des Mittelmeers) vereinbart.
- 2. Rechtsgrundlagen: Vorschriften des BGB und VVG; Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz, PflVG); Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeug-Anhänger (AuslPflVG), Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV). Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB).
- 3. Versicherungsarten: Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KH), Fahrzeugvoll- (KFV) und Fahrzeugteilversicherung (KFT), auch Kaskoversicherung genannt, Kraftfahrtunfallversicherung (KU). Daneben bestehen die auf Kfz-Gebrauch bezogene Kraftfahrt-Strafrechtsschutzversicherung, Verkehrsserviceversicherung, Reparaturkostenversicherung.
- 4. Wirtschaftliche Bedeutung: 2002 betrug das Prämienaufkommen der K. in Deutschland 21,9 Mrd. Euro. Das sind 42,7 Prozent der marktweiten Schaden-/Unfallprämie. Von der K.-Prämie (100 Prozent) entfielen auf KH 13,6 Mrd. Euro (62 Prozent), KFV 6,4 Mrd. Euro (29 Prozent), KFT 1,7 Mrd. Euro (8 Prozent), KU 0,2 Mrd. Euro (1 Prozent).
II. Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (KH):1. Versicherungspflicht: Der  Halter eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland ist durch § 1 PflVG verpflichtet, zur Deckung eines durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursachten Personen-, Sach- und sonstigen Vermögensschadens eine KH abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn und solange das Kfz auf öffentlichen Wegen und Plätzen (§ 1 StVG) verwendet wird. Kfz bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften und nach ihrer Bauart langsame Kfz sowie bestimmte Anhänger sind von der Versicherungspflicht befreit, können aber freiwillig versichert werden.
- 2. Annahmezwang: Die vorgeschriebene KH-Versicherung darf ausschließlich bei im Inland dazu befugten Kraftfahrtversicherernabgeschlossen werden, die andererseits verpflichtet sind, die Vericherung im gesetzlich festgelegten Rahmen zu gewähren.
- 3. Versicherungssummen: Mindesthöhen 2,5 Mio. Euro für Personenschäden, 500.000 Euro für Sachschäden und 50.000 Euro für sonstige/reine Vermögensschäden, die weder mittelbar noch unmittelbar mit einem Personen- oder Sachschaden zusammenhängen. Für den Fall der Verletzung mehrerer Personen beträgt die Mindestversicherungssumme für Personenschäden 7,5 Mio. Euro; bei Omnibussen erhöhen sich diese Summen ab dem zehnten Platz entsprechend der im Fahrzeugbrief eingetragenen Anzahl der Sitze und Stehplätze. Höhere Summenkombinationen und Pauschalversicherungssummen (überwiegend verbreitet) und seit 1.1.1979 Illimité-Deckung sind möglich.
- 4. Versicherungsnachweis: a) Nach § 29a StVZO ist beim zuständigen Straßenverkehrsamt das Bestehen einer dem PflVG entsprechenden KH-Versicherung durch Versicherungsbestätigung (Muster in StVZO vorgeschrieben) eines Kraftfahrzeugversicherers nachzuweisen; wegen der anhängenden Durchschrift für die Amtsantwort wird sie meist Doppelkarte genannt. Die Aushändigung gilt zugleich als vorläufige  Deckungszusage.
- b) Mopeds/Mofas, Kleinkrafträder und Krankenfahrzeuge mit bauartlich begrenzter Höchstgeschwindigkeit benötigen nach § 29e StVZO Versicherungskennzeichen und Versicherungsbescheinigung für das jeweils vom 1. März bis Ende Februar laufende Verkehrsjahr; beides geben die Kraftfahrtversicherer aus.
- c) Internationaler Versicherungsschutz durch sog. „Grüne Karte“; vgl.  Versicherungskarte.
- 5. Direktanspruch/Nachhaftung: a) Ein geschädigter Dritter kann seinen Schadenersatzanspruch auf Geldleistung auch unmittelbar gegen den Kraftfahrtversicherer geltend machen (Direktanspruch). Dieser haftet dann mit dem ersatzpflichtigen Versicherten gesamtschuldnerisch. Für die Geltendmachung wie für die Verjährung des Direktanspruchs bestehen nach PflVG Besonderheiten. Der geschädigte Dritte ist – soweit keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht (z.B. Sozialversicherungsträger) – auch dann geschützt, wenn der Versicherer im Verhältnis zum versicherten Schädiger von der Leistungspflicht frei ist (z.B. Obliegenheitsverletzung).
- b) Nachdem der Kraftfahrtversicherer dem Straßenverkehrsamt gemäß § 29c StVZO angezeigt hat, dass das Versicherungsverhältnis nicht mehr besteht, währt dessen gesetzliche Leistungspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten für ein Schadenereignis in jedem Fall noch einen Monat (Nachhaftung).
- 6. Entschädigungsfonds: Dieser ist ausgestaltet als Anstalt des öffentlichen Rechts; finanziert aus Beiträgen der KH-Versicherer.
- Anspruchsvoraussetzungen: Anspruch kann u.a. geltend machen, wer im Geltungsbereich des PflVG durch ein nicht ermittelbares Fahrzeug oder eines ohne Versicherungsschutz oder durch einen vorsätzlich herbeigeführten Unfall, für den die Versicherung des Schädigers nicht zu zahlen braucht, Personen- und Sachschäden erleidet. Die Entschädigung wird so bemessen, als wäre der Schuldige mit der gesetzlichen Mindestdeckungssumme versichert. Die Verkehrsopferhilfe darf nur dann eintreten, wenn der Geschädigte anderweitig (Privatvermögen des Schädigers, Krankenkasse, Vollkaskoversicherung etc.) keinen Ersatz erhalten kann.
- Besonderheiten bei Unfällen mit Fahrerflucht: Schäden am Auto werden nicht ersetzt; bei sonstigen Sachschäden (Kleidung, Ladung, Gepäck) werden die 500 Euro übersteigenden Kosten erstattet. Schmerzensgeld bis zur Höhe von 500.000 Euro zahlt die Verkehrsopferhilfe nur bei bes. schweren Verletzungen, die zu Dauerschäden führen.
- 7. Versicherungspflicht für Ausländer: Ausländische Kfz und Anhänger dürfen im Geltungsbereich des AuslPflVG nur benutzt werden, wenn eine KH-Versicherung mit einem Leistungsumfang nach den AKB besteht. Der Führer des ausländischen Kfz hat eine Versicherungsbescheinigung darüber mitzuführen und bes. den Grenzzollstellen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen. Als Versicherungsbescheinigung gilt entweder eine grüne internationale Versicherungskarte oder ein rosa Grenzversicherungsschein.
III. Versicherungsschutz nach AKB:1. Versicherte Gefahren: a) Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung: Befriedigung begründeter (d.h. Freistellung) und Abwehr unbegründeter (d.h. Rechtsschutz) Schadenersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (z.B. §§ 823 ff. BGB, § 7 StVG) gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen (v.a. Halter, Eigentümer, Fahrer, Omnibusschaffner) erhoben werden, wenn durch Gebrauch des im Versicherungsschein bezeichneten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen, Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (§ 10 AKB). Im Zivilrechtstreit gegen eine versicherte Person führt der Versicherer den Prozess. Bestimmte Haftpflichtansprüche sind jedoch von der Versicherung ausgeschlossen (z.B. der Sachschadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen mitversicherte Personen; § 11 AKB).
- b) Fahrzeugversicherung (Kaskoversicherung): Entschädigungsleistung bei Schädigung, Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs und seiner unter Verschluss verwahrten oder an ihm befestigten Teile sowie bestimmter Zubehörteile (§ 12 AKB). Die Grenze zwischen Fahrzeugvollversicherung (Vollkaskoversicherung (KFV)) und Fahrzeugteilversicherung (Teilkaskoversicherung (KFT)) setzt die Schadenursache. Für beide besteht Versicherungsschutz bei Brand, Explosion, Entwendung, unbefugtem Gebrauch durch betriebsfremde Personen, Raub, bestimmten Elementarereignissen, Zusammenstoß mit Haarwild sowie Glasbruch- und Schäden der Verkabelung durch Kurzschluss; bei der KFV-Versicherung außerdem Versicherungsschutz für Schäden am versicherten Fahrzeug bei selbstverschuldeten Unfällen sowie für mut- und böswillige Handlungen betriebsfremder Personen. Grundsätzlich wird ein Sachschaden bis zum Wiederbeschaffungswert ersetzt. Die meisten Versicherer vereinbaren hiervon im Fall des Fahrzeugdiebstahls einen Abschlag von 10 Prozent, falls das Fahrzeug nicht mit einer elektronischen Wegfahrsperre ausgerüstet ist.
- c) Kraftfahrtunfallversicherung (auch als Insassenunfallversicherung bezeichnet): Versichert sind Gesundheitsschädigungen im ursächlichen Zusammenhang mit Gebrauch eines versicherten Kfz, die berechtigte Insassen durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig erleiden. Leistung nach den vereinbarten Versicherungssummen für Tod und/oder vorübergehende und/oder dauernde Unfallfolgen (Vereinbarung von Pauschal- oder Platzsystem).
- 2. Risikoausschlüsse: In der KH-Versicherung sind verschiedene Haftpflichtansprüche von der Versicherung ausgeschlossen; nicht gedeckt sind behördlich genehmigte Fahrtveranstaltungen, bei denen es auf Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt; für die einzelnen Versicherungsarten finden sich in den AKB spezifische Risikoausschlüsse; allgemein wird in der Fahrzeug- und Kraftfahrtunfallversicherung kein Versicherungsschutz gewährt für Schäden durch Aufruhr, innere Unruhen, Kriegsereignisse, Erdbeben (§ 2b AKB).
- 3. Obliegenheiten: a) Der Versicherungsnehmer hat nach den AKB vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls etliche Verhaltensnormen einzuhalten, z.B. vor Versicherungsfall: Verwendung des Fahrzeugs zu dem im Antrag gegebenen Zweck, Fahrer mit vorgeschriebener Fahrerlaubnis; nach Versicherungsfall: Anzeige des Versicherungsfalls, Aufklärung des Sachverhalts (§§ 5, 6 KfzPflVV).
- b) Missachtet bzw. verletzt er diese, so kann der Versicherer unter gewissen Voraussetzungen den Versicherungsschutz versagen oder sich dem Versicherten gegenüber auf Leistungsfreiheit berufen. In der KH bleibt er dem geschädigten Dritten gegenüber grundsätzlich eintritts- bzw. vorleistungspflichtig (§ 3 PflVG). Die Leistungsfreiheit des KH-Versicherers ist bei Obliegenheitsverletzung allerdings beschränkt (§§ 5, 6 KfzPflVV).
IV. Kraftfahrzeugversicherungsvertrag:1. Versicherungsbeginn: Der Versicherungsschutz beginnt grundsätzlich mit Einlösung des Versicherungsscheins durch Erstprämienzahlung. In der KH-Versicherung erfolgt regelmäßig vorläufige Deckungszusage durch Aushändigung der Doppelkarte, die aber rückwirkend außer Kraft tritt, wenn der dem Antrag entsprechende Versicherungsschein schuldhaft nicht innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird. Ein Versicherungskennzeichen (z.B. für ein Moped) darf nur gegen Zahlung der Prämie ausgehändigt werden.
- 2. Versicherte Personen: Vertragspartner des Kraftfahrtversicherers ist der Versicherungsnehmer; dessen ungeachtet besteht ein für die einzelnen Versicherungsarten unterschiedlicher Kreis mitversicherter Personen. In der KH- und in der KU-Versicherung können diese selbst Ansprüche gegen Versicherer geltend machen, sonst nur der Versicherungsnehmer.
- 3. Vertragsbeendigung: Sofern bei unterjährigen Verträgen nicht ohnehin eine zeitliche Begrenzung gilt, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Vertragsablauf, andernfalls Verlängerung um jeweils ein Jahr. Sonderregelung für Mopeds etc.
- Außerordentliche Kündigungsrechte nach VVG und gemäß AKB, dort bes. nach Eintritt des Versicherungsfalls, bei Veräußerung des Kfz und bei Tarif- oder Bedingungsänderung (§ 9c AKB).
- Vorübergehende Fahrzeugstilllegung beendet den Vertrag grundsätzlich nicht; der Versicherungsnehmer kann jedoch ausdrücklich Unterbrechung des Versicherungsschutzes verlangen, dann eingeschränkter Versicherungsschutz für KH und KFT. Literatursuche zu "Kraftfahrtversicherung" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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